#8 - Tante Frieda

Ich gehe zum Gefrierschrank und öffne die 3. Lade auf der Suche nach Petersilie für die Semmelknödel. Neben den gekauften Kräutern liegen auch einige Sackerl mit grünem Inhalt. Säuberlich fein geschnitter Petersilie, Porree in gleichmäßigen Scheiben. Die Sackerl beschriftet in krakeliger, großer Alte-Leute-Schrift, die sofort erkennen lässt, dass diese Hände schon viel gearbeitet haben in ihrem Leben:"Petersilie, Frieda, 2023", oder "Porree - für die Suppe! Liebe Grüße Frieda!"

Ich schmunzle und höre die Stimme meiner Tante, die eigentlich "nur" meine Großtante war, sich aber mehr wie eine Oma angefühlt hat, und die letztes Jahr mit 90 Jahren gestorben ist.

Meine Tante Frieda war - wie man so schön sagt - ein Schlager! Wahrscheinlich könnte man ein ganzes Buch über sie schreiben und vielleicht mache ich das eines Tages auch!

Ihr Haus, ihren Garten, ihr ganzes Umfeld hat sie immer sehr engagiert gestaltet: mehr ist schließlich mehr! In Blumentöpfe hat sie noch zusätzlich Seidenblumen gesteckt. Der Kalender in ihrer Küche war links und rechts zugehängt mit Familienfotos. Ordnung im Chaos war wohl ihr Motto.

Wenn ich sie besucht habe, hat sie liebevoll aufgedeckt, ist extra einkaufen gegangen. Da musste man essen, ob man wollte oder nicht.

Legendär waren ihre erratischen Gesprächssprünge. "Wie gehts euch denn? Hast immer viel Arbeit? Hast schon ghört, die Frau Schimmel is gstorbn. Beim Lidl sind die Kipferl in Aktion, 90 c eine Packung! Musst welche holen für die Kinder! Komm, schau dir meinen Garten an! Was kochstn immer?"

Genauso hat sie gesprochen. Ohne Pause. Jeder Versuch zu antworten von Vornherein zum Scheitern verurteilt.

Tante Frieda war verheiratet, ist aber kinderlos geblieben. Ihr Mann, von uns Onkel Franz genannt, ist 10 Jahre vor ihr gestorben. Natürlich war sie darüber sehr traurig, trotzdem hat sie auch alleine emsig weiter zusammengekehrt, ihr Haus dekoriert, den Gemüsegarten gepflegt. Und statt Auto ist sie halt Fahrrad gefahren, solange es noch ging.

Ihr Kaffeehaus war der Friedhof gleich nebenan. Dort war sie jeden Tag, hat Blumen gegossen, zusammengekehrt - natürlich! - und mit den Leuten getratscht. Am Friedhof war sie eine Institution!

Wenn ich sie besucht habe, hat sie mir regelmäßig Schätze aus ihrem Garten mitgegeben. Auf den war sie sehr stolz! Kleingeschnittene Kräuter- und Gemüsepackungen, tiefgekühlt, liebevoll beschriftet:" Porree, Frieda".

Ich schaue in meine Gefrierlade, höre ihre Stimme, und greife dann doch zur Iglo-Industrieware. Solange die Sackerl noch da sind, ist auch meine Tante Frieda noch ein kleines bißchen weniger tot.

 

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