#12 - Die Rotschwanzerl im Hof

Vor ein paar Jahren sind wir an einem gatschigen Jännertag - sehr glücklich aber auch sehr erschöpft - in unser neu gebautes Haus eingezogen. Unsere Kinder waren noch klein, und die Monate hinter uns waren die wohl anstrengendsten unseres Lebens.
Es hat sich angefühlt, wie ein großer Meilenstein, und das war es natürlich auch. Dass es aber ab hier schlagartig leichter werden würde, war eine grobe Fehleinschätzung. 

Das Haus alles andere als fertig, unser Leben eine permanente Improvisation. Zwischen den ganz normalen Aufgaben des Familienalltags immer wieder Kisten von hier nach dort stellen. Da ein Regal aufbauen, hier einen Kasten, diese Schachtel ausräumen, eine andere unverrichteter Dinge wieder zurückstellen, Handwerker, Termine, es sich langsam wohnlich machen,… 
Eine schier unbewältigbar lange Liste an Aufgaben im Kopf, irgendwie vorankommen und trotzdem auch manchmal im Hier und Jetzt sein, mit den Kindern, es auch mal gut sein lassen.

Ungefähr so war mein Zustand, als ich an einem Tag im Frühling bei der Abwasch in unserer Küche stehe und gedankenverloren durchs Fenster in den Hof schaue. Plötzlich fällt mir auf, dass ein kleiner Vogel immer wieder unter den Dachvorsprung gegenüber fliegt, im Schnabel einen Grashalm. Ich gehe hinaus und schaue genauer. Tatsächlich: nicht nur wir, sondern auch ein Rotschwanzerl-Paar ist dabei, hier einzuziehen.

In den darauffolgenden Wochen beobachte ich jeden Tag, wie die Vögel unermüdlich aus und ein fliegen. Wenn wir uns dem Nest nähern, weil gleich darunter unsere Mülltonnen stehen, sitzt einer der Vögel am Dach gegenüber und macht sich lautstark bemerkbar. 

Und dann ist plötzlich Schluss mit der regen Betriebsamkeit.

Irgendwann ein paar Wochen später entdecke ich kleine, dicke Vogelbabies im offenen Dachstuhl sitzen. Vom Küchenfenster aus schaue ich ihnen zu, wie sie die ersten Flugversuche unternehmen und dabei oft gefährlich nah am Boden sitzen bleiben. Irgendwann sind sie dann weg und das Nest leer.

Ich lese nach, dass Rotschwanzerl im Winter in den Süden ziehen. Als sie im darauffolgenden Frühling wieder auftauchen, macht mich das sehr froh. Unser Zuhause ist schon ein ganzes Stück heimeliger geworden. Dass sich auch die Vögel bei uns wohl fühlen werte ich als Zeichen dafür, dass wir auf einem guten Weg sind, ein sicheres Zuhause für uns und unsere Kinder zu schaffen. Ich wasche das Geschirr, schaue in den Hof, beobachte die Vögel und bin glücklich.

 

Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar