#7 - das Horner Stadtkino

In Horn gibt es ein kleines, altes Kino. Der Leucht-Schriftzug über dem Eingang - ein typografisches Juwel - schaut stark nach 50er Jahre aus und verrät schon von Weitem, dass sich unter ihm das Portal zu einer Zeitreise befindet.

Für meinen Text lese ich auf der Website über die Geschichte des Kinos nach und erfahre, dass es in den 60er Jahren über einen Saal mit 600 Sitzplätzen verfügte. Der war bei der sonntäglichen Heimatfilm-Vorführung so voll, dass im nahegelegenen Vereinshaus zur gleichen Zeit eine zweite Vorführung angeboten wurde. Ich stelle mir meine Großeltern vor, wie sie dort Waltraud Hass oder Peter Alexander zum Lachen gebracht haben und Kino noch eine gemeinschaftliche Erfahrung war.

Meine ersten, eigenen Erinnerungen liegen naturgemäß weniger weit zurück. 1988 waren wir Kinder mit unserem Papa am Heiligen Abend in "Der Bär", 1993 haben wir uns zu Jurassic Park gegruselt und 1997 die Titanik untergehen sehen. 

Ende der 90er Jahre hatten es aber nicht nur Rose und Jack hart, auch fürs Horner Stadtkino wurde es eng. Grund dafür war das wunderschöne (Achtung: Zynismus) EKZ, das am Stadtrand  errichtet wurde und in dem auch ein Cineplexx beherbergt war. In den beiden Sälen in der Innenstadt, die sich wie ein Wohnzimmer unserer Kindheit anfühlten, wurde es schlagartig still.

Was für ein Segen aber, dass das Horner Stadtkino ein Familienbetrieb war - und ist. Im Gegensatz zu großen, seelenlosen Unternehmen, zählt hier nicht nur der schnelle, maximale Gewinn. Hier gibt es Menschen, denen was dran liegt, genau diese Arbeit zu machen. Vielleicht war das der Grund, warum das Stadtkino durchgehalten hat. Streng nach den Gesetzen der Resilienz hat es sich über die Jahre zum fein sortierten Programmkino entwickelt und so auch inhaltlich dem Kommerzprogramm der Peripherie die Stirn geboten.

In ihrem wöchtenlichen Newsletter flattert das Programm heute regelmäßig in meine Inbox und macht mir schon beim Lesen Freude. Letzte Woche habe ich es wieder einmal geschafft hinzugehen. Im großen Saal suche ich mir zusammen mit meiner Freundin einen Sitzplatz, schau mich um und sehe bekannte Gesichter im Saal, in der Hand ein Getränk aus der Bar unten. Vielleicht lande ich ja am gleichen Platz, an dem ich damals schon neben meinem Papa gesessen hab. Gut, dass es ihn noch gibt!

 

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