#3 - der Krabbenfresser

#3 - der Krabbenfresser

Antarktis - eine Wüste aus Kälte und Eis. Blau- und Weißtöne wohin das Auge reicht. Auf einer Scholle liegt und chillt: ein Krabbenfresser. Für mich als nicht sehr Biologie-affine Person handelte es sich ja schlechtweg um eine "Robbe", aber diese hier hat es sich wahrlich verdient, ordentlich benannt zu werden.

Es war ein langer Tag. Mein Sohn und ich kuscheln vorm Fernseher und bestaunen unter der warmen Decke gespannt das zweidimensionale Naturspektakel.

Während sich die Robbe nichtsahnend ihren Tagträumen hingibt (was denken Robben eigentlich so den ganzen Tag lang?), tauchen rund um sie bojenartig und gefühlt lautlos mehrere weiß schwarze Riesenköpfe auf: eine Orca-Familie auf der Suche nach ihrem Abendessen.

Uns bleibt der Atem stehen. "Stell dir vor, du liegst so auf einer Scholle und alles ist ruhig rund um dich und plötzlich tauchen diese Riesenschädeln auf!" sagt mein Sohn und ist schon ganz drinnen in der Erzählung. 

"Das wars mit der Robbe" denke ich - die Musik deutet auch sehr deutlich darauf hin. Innerlich hoffe ich nur, es wird nicht zu anschaulich, immerhin soll mein Sohn gleich friedlich schlafen gehen!

Die Spiele beginnen. Mit Grandezza und beinah überheblich anmutender Itelligenz fahren die Orcas ein beeindruckendes Manöver nach dem anderen. Mein Sohn und ich sind schwer beeindruckt. Chancenlos die Robbe, nicht wahr?

Aber dann, blitzschnell, erwacht sie aus ihrem Dämmerzustand, schießt wie ein Projektil durchs Wasser, rettet sich immer wieder auf die nächste Scholle.

Erneut zaubern die Orcas ein neues Zirkuskunststück aus dem Hut, um der Robbe Herr zu werden. Die Musik verfinstert sich dramatisch. Mir schwant Schlimmes.

Wir kauen an unseren Nägeln, kleben am Fernseher. Komm schon kleiner Krabbenfresser! Wenn ihm gar nichts mehr einfällt dreht er sich auf seiner Scholle den Orcas zu und faucht sie an wie ein wilder Löwe.

Als alle schon am Ende sind - die Robbe, die Orcas und auch mein Sohn und ich - geben die Räuber auf und lassen diese schwimmende, glitschige Wurst auf ihrer Scholle zurück. 

Tja, das war wohl nix diesmal ihr lieben Orcas.

Überglücklich über den Triumph des Underdogs bringe ich meinen Sohn ins Bett. Noch tagelang nerven wir den Rest der Familie mit unserer euphorischen Nacherzählung vom Sieg des David über Goliath am Südpol.

 

 

Nachtrag: mein Sohn legt Wert auf die Feststellung, sich an keiner Stelle gefürchtet zu haben!

 

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